Kindern mit Fluchterfahrung das Ankommen erleichtern   

Als Pädagog:in Kinder mit Fluchterfahrung willkommen zu heißen und sie behutsam zu begleiten, ist eine besondere Aufgabe. Nicht nur wegen möglicher Sprachbarrieren. Wir möchten Sie mit dieser Sonderseite unterstützen und Ihnen zeigen, wie Ernährungsbildung dabei helfen kann, Kindern – und den Eltern – das Ankommen in Ihrer Einrichtung zu erleichtern. Und wie es Ihnen gelingen kann, in fordernden Zeiten auch sich selbst gut im Blick zu behalten. 

Wie Ernährungsbildung zum Ankommen beitragen kann

Gut und hilfreich – die Eltern einbeziehen

Tipps zur Selbstfürsorge: Denken Sie auch an sich!

Aus der Heimat fliehen zu müssen und unmittelbar mit Krieg konfrontiert zu werden sind extreme, belastende Erfahrungen – auch und gerade für Kinder. Als Pädagog:in oder Erzieher:in sind Sie keine Therapeut:innen und es ist gut, wenn Sie sich Ihrer Grenzen bewusst sind. Was aber können Sie tun, um die Kinder zu unterstützen? Wir möchten Ihnen dazu Impulse rund ums Kochen und Essen mitgeben und zeigen, wie Sie in einem sicheren Raum Halt geben und Freude spenden können. Denn genau das kann den Kindern jetzt helfen: Die seelische Waage wieder mit positiven Erlebnissen zu füllen und Erfahrungen zu machen, die die Resilienz fördern.

Ein wichtiger Einflussfaktor für die seelische Gesundheit ist die Erfahrung, dass sich die eigenen Lebensbedingungen mitgestalten lassen. Motivation zur Mitgestaltung bildet vor allem aus, wer positive Erfahrungen auf diesen drei Ebenen macht (vgl. Fachverband Traumapädagogik):

  • Erleben von Autonomie („Ich kann etwas entscheiden.“)
  • Erleben von Kompetenz („Ich kann etwas bewirken.“)
  • Erleben von Zugehörigkeit („Ich gehöre dazu und werde wertgeschätzt.“) 

Das trifft auf Kinder ebenso zu wie auf Erwachsene. Aktionen rund ums Kochen und Essen bieten hierfür hervorragende Gelegenheiten – und das über Sprachbarrieren hinweg!

Ein passendes Beispiel erzählte eine unserer Genussbotschafterinnen: Ein ukrainisches Mädchen, das noch nicht viel spreche und sehr zurückhaltend sei, habe in der Koch-AG einen Riesenapplaus bekommen, als sie zusammen das Apfelkompott zubereitet haben:

Das Mädchen hat im Rekordtempo zehn Äpfel geschält – wohlgemerkt mit einem Messer! Sie kann einfach unglaublich gut Äpfel schälen. Das wird jetzt überall erzählt, und sie fühlt sich super dabei. Letztens gab es eine Mango und die anderen Kinder fragten: Kannst du eine Mango auch so gut schälen wie Äpfel? Genauso sowas bringt uns gerade richtig weiter.

Genussbotschafterin aus Rheinland-Pfalz

Wie Ernährungsbildung zum Ankommen beitragen kann

Ein Wort hat in letzter Zeit sehr an Bedeutung gewonnen: Resilienz. Gemeint ist damit die Widerstandskraft gegenüber Belastungen (vgl. UNHCR, S. 38). Resiliente Menschen behalten auch in Krisen eine positive Grundeinstellung. Sie schaffen es, lösungsorientiert nach vorn zu blicken und wissen, was sie tun müssen, damit es ihnen gut geht. Resilienz bei Kindern zu fördern, ist daher erstrebenswert – und das ganz besonders jetzt, wenn auch Kinder mit Fluchterfahrungen in Ihrer Gruppe sind. Doch wie wird ein Mensch resilient? Eigentlich sind die Zutaten dafür ganz überschaubar: gute Beziehungen, positive Erfahrungen und Partizipation im Sinne der Mitgestaltung. Kochen Sie gemeinsam mit Ihren Kita- oder Schulkindern, sind Sie schon mittendrin in der Resilienzförderung.

Beim gemeinsamen Kochen werden Beziehungen innerhalb der Gruppe und im Umgang miteinander aufgebaut. Und: Kochaktionen bringen den Kindern Erlebnisse, die sie mit Freude und Spaß verbinden. Das sind wichtige Ressourcen, durch die die Widerstandskraft gestärkt und das seelische Gleichgewicht gefördert werden. Die positiven Erfahrungen, die Kinder beim gemeinsamen Kochen machen können, tragen zur Motivation für die Gestaltung ihrer Lebensbedingungen bei. Die Kinder erleben Partizipation und Autonomie – zum Beispiel, wenn sie Rezepte und Zutaten mit auswählen dürfen. Sie erleben Kompetenz – zum Beispiel, wenn sie einen Teig ausrollen, der als Grundlage für die ganze Pizza dient. Und sie erleben Zugehörigkeit – wenn sie ihren Teil zum großen Gericht für alle beitragen. Hier ist die Devise: Es müssen keine großen Gerichte sein. Schon ein leckerer  Smoothie ist eine tolle Kochaktion! Mehrere Kinder können sich hierfür zu kleinen Gruppen zusammentun und ihre eigene Kreation mixen. Anschließend dürfen alle gegenseitig probieren.

Im Leben wird man immer wieder vor die Aufgabe gestellt, sich an neue Situationen zu gewöhnen. Hier hilft ein gezielter Blick auf die eigenen Wahrnehmungen. Wenn ich erkenne, was genau mir guttut und was nicht, was das eine oder andere bei mir auslöst, kann ich besser darauf reagieren. Ein gutes Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln, fällt nicht jedem leicht. Aber es ist wichtig, seine Empfindungen einordnen zu können und individuelle Bedürfnisse zu kennen. Denn das unterstützt die Selbstregulation und Genussfähigkeit.

Gerade nach extremen Erfahrungen, wie sie beispielsweise traumatisierte Kinder gemacht haben, fehlen oft die Worte, die eigene Wahrnehmung zu beschreiben – manchmal ist auch die Wahrnehmung selbst beeinträchtigt (vgl. UNHCR, S. 40). Einen einfachen Weg, sich für die eigenen Empfindungen zu sensibilisieren, bieten Wahrnehmungsübungen mit unterschiedlichem Fokus, wie zum Beispiel Sinnesübungen, Genusstraining oder Achtsamkeitsübungen. Sie lassen sich leicht in den Kita- und Schulalltag integrieren.   

Die Sinnesübungen, die Sie  hier im Online-Portal finden, beschreiben beispielhaft anhand von Brot, Äpfeln, Kräutern und Wasser, wie sich Lebensmittel mit allen Sinnen erkunden lassen. Die Anleitungen können Sie sich als Version für Kita- oder für Grundschulkinder herunterladen. Hinweis: Bitte loggen Sie sich im Portal ein, um die Sinnesübungen sehen zu können.

Beim achtsamen Essen geht es darum, sich auf seine individuelle Wahrnehmung zu fokussieren und nicht darum, ein Lebensmittel zu erkunden. Jedes Kind erhält z.B. ein Stück Obst und konzentiert sich darauf, was es im eigenen Körper auslöst: Wenn ich es ansehe, rieche, an die Lippen führe, mit der Zunge berühre, in den Mund nehme, langsam kaue. Bei allen Schritten gilt es, genau hinzuspüren. Machen Sie diese Übung über mehrere Tage nacheinander mit unterschiedlichen Lebensmitteln.

Beim Genusstraining geht jede:r für sich auf Entdeckungsreise. Aufgabe ist, gezielt darauf zu achten, was genau ein gutes Gefühl auslöst. Zum Beispiel mit dem Auftrag, je zwei bis drei Dinge zu finden: Was fühlt sich in der Hand gut an? Was im Mund? Was rieche ich gern? Welche Farben mag ich? Welche Speisentemperatur ist für mich angenehm? So lässt sich lernen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen.

Kinder mit Fluchterfahrung brauchen einen Ort, an dem sie sich sicher fühlen und zur Ruhe kommen können; einen Ort, an dem ihre emotionale Sicherheit gestärkt wird. Ein Gefühl der Sicherheit erfahren sie durch vertraute Personen und Situationen sowie durch wiederkehrende Abläufe – also einen Rahmen, in dem sich Gewohnheiten ausbilden können. 

Mahlzeiten gehören im Kita- oder Schulalltag zu dem Rahmen, der Kindern Orientierung und Struktur gibt. Zum Beispiel über feste Essenszeiten, eine feste Sitzordnung oder einen festen Ablauf, wie gegessen wird. Auch ein Tischspruch, der das Essen einläutet, sowie ein bebilderter Speiseplan können dazu beitragen. Die Kinder wissen so, was wann passiert und dass sie sich darauf verlassen können. Auch regelmäßig wiederkehrende Gruppenangebote, wie zum Beispiel das gemeinsame Kochen, können diesen Halt bieten. 

Erklären Sie den Kindern, welche Regeln oder Abläufe es rund ums Essen gibt und was dahintersteckt. So eine Transparenz trägt dazu bei, ein Gefühl der Berechenbarkeit zurückzubekommen.

Wir sind zu Tischgemeinschaften übergangen mit festen Plätzen. Jeder weiß: Hier ist mein Platz, ich sitze neben dem und dem, hier ist eine Erzieherin am Tisch. Wir beginnen mit einem Tischspruch, es gibt einen gemeinsamen Beginn und einen gemeinsamen Abschluss. Alle fassen sich an den Händen.

Genussbotschafterin aus Nordrhein-Westfalen

Wenn etwas auf den Magen schlägt

Jede:r von uns hat sicher schon die Erfahrung gemacht, dass „etwas auf den Magen schlagen“ kann. Kinder mit Fluchterfahrungen haben möglicherweise extreme Stresserfahrungen gemacht, die sich auch auf den Appetit auswirken können. Es mag sein, dass Kinder plötzlich viel weniger oder viel mehr essen als gewohnt. Es kann auch sein, dass sie auf einmal Dinge ablehnen, weil sie vielleicht schlechte Erfahrungen damit gemacht haben – oder weil sie sie aus ihrer Heimat nicht kennen. Wenn Sie solche Verhaltensweisen bemerken, reagieren Sie sensibel und zwingen Sie die Kinder beim Essen zu nichts. Auch in solchen Situationen ist es wichtig, dass Kinder in einer entspannten Atmosphäre essen können und sie das Gefühl haben, angenommen zu sein mit ihren Bedürfnissen und Vorlieben. Wenn Probleme beim Essen gesundheitliche Auswirkungen haben, ist ein Arzt die richtige Adresse.

Noch eine wichtige Funktion hat das gemeinsame Essen schon seit Menschengedenken: Es verbindet. Und das fängt schon beim Kochen an. Gemeinsam Lebensmittel zu verarbeiten stärkt nicht nur das eigene Erfolgserleben, es schafft auch ein Zugehörigkeitsgefühl. Wir schnippeln zusammen das Gemüse für unser Mittagsessen – und ich gehöre dazu. Ich trage meinen Teil dazu bei, dass es am Ende etwas Leckeres für alle gibt.

Das gemeinsame Kochen klappt gut (…). Das Kochen lieben alle Kinder, am Ende kommt etwas raus, was man probieren kann. Man macht und schafft gemeinsam und deswegen hat es auch etwas Verbindendes.

Genussbotschafterin aus Nordrhein-Westfalen

Wer zusammen isst, bildet eine Tisch- oder Essgemeinschaft. Darin liegt eine weitere wertvolle Ressource, die Sie nutzen können, um den Kindern das Gefühl zu geben, eingebunden zu sein. Um ihnen zu zeigen: Hier bist du willkommen. Hier ist dein Platz. Hier darfst du dich wohlfühlen. 

Überlegen Sie doch mal mit den Kindern, wie sie sich eine angenehme Tischsituation vorstellen. Was brauchen sie dafür, sich in der (neuen) Gemeinschaft wohlzufühlen? Sind es bestimmte Plätze? Brauchen sie Abstand oder Nähe zueinander? Mögen sie Rituale wie bestimmte Abläufe, etwa das Vorstellen des Gerichts? Freuen sich die Kinder über farbige Servietten oder selbstgepflückte Blumen und Gräser auf dem Tisch? Ideen rund das Thema Ess- und Tischkultur finden Sie auch im  Modul 4 des Ich kann kochen!-Einsteigerkurses

Koch- und Esssituationen lassen sich hervorragend als Anlässe zum Spracherwerb nutzen. Denn Sprechen lernen Kinder im Alltag; wir können sie unterstützen, indem wir ihnen Zeit, Zuwendung und Sprechanlässe geben (vgl. Haus der kleinen Forscher). Nehmen Sie das Entdecken von Lebensmitteln gezielt zum Anlass für Interaktionen und Dialoge. Benennen Sie Lebensmittel, Kochutensilien, Geschmackseindrücke und Vorgänge. Verbinden Sie Gegenstände und Essbares mit Handlungen und/oder Wahrnehmungen und lassen Sie es die Kinder selbst nachvollziehen, zum Beispiel „Ich schneide den Apfel in zwei Hälften. Ich rieche am Apfel.“ Nutzen Sie auch die gemeinsamen Mahlzeiten als Gesprächsthema: Was gibt es heute zu essen? Wer hat gekocht? Wie wird das Essen zubereitet? Wie schmeckt ein bestimmtes Lebensmittel? Kennst du das von zuhause? Was esst ihr zuhause gern oder nicht gern? Unter welchem Namen kennt ihr das Gericht? Welche Tischsprüche gibt es in den unterschiedlichen Sprachen?

Dabei geht es nicht darum, etwas zu bewerten. Lebensmittel(zubereitung) und Esssituationen sollten nicht mit negativen Gefühlen verbunden werden. Probierzwang ist tabu. Versuchen Sie, eine entspannte, wohlwollende Atmosphäre zu schaffen und nutzen Sie so die täglichen Esssituationen als positiv besetzte Bildungssituationen. Unterstützend können hier kleine Sitzgruppen sein (max. sechs Kinder.) Setzen Sie sich mit zu den Kindern an den Tisch und sorgen Sie dafür, dass Speisen und Getränke schon vor dem Essen in kleineren Schüsseln und Kannen auf den Tischen verteilt werden. Dann sind Sie während der Mahlzeit weniger mit organisatorischen Aufgaben beschäftigt und haben mehr Ruhe für Gespräche. Die Kinder bedienen sich selbst. Dabei eignen sich die einzelnen Tätigkeiten gut für handlungsbegleitendes Sprechen und Wiederholungen (vgl. ifp).

"Die Kinder lieben Spiele! Das kann man gut verbinden mit Kochsituationen. Wenn wir genug Zeit haben, legen wir alle Lebensmittel hin und schicken ein Kind raus. Wenn es wieder reinkommt, fehlt etwas und wir fragen das Kind, was fehlt. „Die Paprika fehlt!“. Gerade sind wir erst da, dass wir sagen „Paprika fehlt“, manchmal fehlt uns noch der Artikel."

Genussbotschafterin aus Rheinland-Pfalz

"Ich verbinde Kochaktionen auch manchmal mit Kärtchen nach dem Prinzip des generativen Schreibens. Auf den Kärtchen ist der weibliche Artikel rot, maskulin ist blau, sächlich grün und plural gelb. „Die Paprika“ schreibe ich mit einem roten "die". Die Kinder ordnen dann die Kärtchen dem Gemüse zu wie eine Art Memory. Eine Stunde kochen wir mit Paprika, Gurke und Petersilie. Und beim nächsten Mal kommen vielleicht noch Salat und Tomaten dazu." 

Genussbotschafterin aus Rheinland-Pfalz

Wenn die Seele belastet ist: kostenfreie Beratungs-Hotline für alle

Es ist eine wichtige, aber auch eine herausfordernde Aufgabe, Kindern mit Fluchterfahrung das Ankommen zu erleichtern und sie im pädagogischen Alltag zu begleiten. Das bedeutet auch, Verunsicherungen aufzufangen und Fragen rund um den Krieg in der Ukraine zu beantworten. Hinzu kommt, dass die aktuelle Situation nicht nur für geflüchtete Familien belastend ist; auch bei uns kann sie Sorgen und Ängste auslösen. Die BARMER hat deswegen eine kostenlose Sonder-Hotline geschaltet: Expert:innen beraten unter der Telefonnummer 0800 / 84 84 111 rund um die Uhr alle, die Unterstützung zum Umgang mit der seelisch belastenden Situation suchen. 

Quellen und Literaturtipps

  • Fachverband Traumapädagogik (2011):  Positionspapier: Standards für traumapädagogische Konzepte in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Halle/Westfalen. Online lesen
  • Stiftung Kinder forschen: Serviceportal Integration. Interview mit Prof. Sandra Niebuhr-Siebert: "Sprachlernsituationen gibt es überall im Alltag!" Online lesen
  • Jutta Kamensky (2022): Ernährungsberatung. Genießen als Therapie. In: UGBforum 1/22. Online lesen
  • Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westphalen: Empfehlungen für Eltern und Lehrkräfte im Umgang mit Kindern und Jugendlichen in Zeiten von Sorge um Bedrohung durch Krieg. Online lesen
  • Staatsinstitut für Frühpädagogik (ifp)/Monika Wertfein (2018): Essenssituationen sprachanregend gestalten. Online lesen
  • UNHCR Österreich (2020): Flucht und Trauma im Kontext Schule. Handbuch für Pädagog:innen. Wien. Online lesen

Gut und hilfreich – die Eltern einbeziehen

Essen hält Leib und Seele zusammen, heißt es so schön. Dass Essen einen Einfluss auf das Wohlbefinden hat, ist unbestritten. So liegt es nahe, auch hier Vorlieben und Gewohntes mitzudenken, um Kindern einen guten Start in der Einrichtung zu ermöglichen. Es kann hilfreich sein herauszufinden, welche Erfahrungen ein Kind rund ums Essen bereits gemacht hat: Was isst es gerne, was mag es gar nicht? Was kennt es aus seinen bisherigen Einrichtungen oder von zu Hause? Wenn Sie diese Informationen haben, können Sie das Kind von Anfang an besser individuell begleiten. Häufig wird dies in einem ersten Gespräch mit den Eltern abgefragt oder – je nachdem, wie es die Zeit im Kita der Schulalltag zulässt – auch bei kleinen Gesprächen zwischendurch. 

Die Beziehung zwischen Eltern und Pädagog:innen und dem Kind wächst mit der Zeit. Damit wird auch der Austausch intensiver. Ebenso das Kennenlernen. Das gehört also auch dazu: Dem Ganzen Zeit zu geben und nicht alles auf einmal zu wollen.

Wenn es Kindern sehr schwerfällt, sich mit den neuen Esssituationen anzufreunden, können sogenannte Ankerlebensmittel ihnen die Eingewöhnung erleichtern. Das sind z.B. Lebensmittel, von denen die Eltern sagen, dass sie das Kind immer isst. Ist das beispielsweise Knäckebrot, könnten Sie dafür sorgen, dass dem Kind zu jeder Mahlzeit Knäckebrot zur Verfügung steht. Vielleicht reicht ein Hinweis an die Eltern, dass ihr Kind Knäckebrot mitbringen darf. So weiß das Kind, dass es beim Essen immer etwas findet, was es mag und dass es sicher satt wird. Dann traut es sich vielleicht auch, noch etwas anderes zu probieren. Außerdem können Sie überlegen, ob Sie bekannte Rituale des Kindes in den neuen Kita- oder Schulalltag aufnehmen, um ihm vertraute Sicherheit zu geben.

Viele Kinder sind von daheim anderes gewöhnt. Einige essen mit den Fingern, was bei uns zu Erstaunen führt. Was aber, wenn man dann mit den Eltern spricht, ganz selbstverständlich ist. (…) Wir gehen auf die Wünsche der Eltern ein und versuchen, Rezepte nachzukochen, die sie mitbringen.

Genussbotschafterin aus Bayern

Essen verbindet – Elternangebote gestalten

Nicht nur Kinder kommen in einer Einrichtung neu an, sondern auch die Eltern. Um das Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern und sie miteinander zu vernetzen, bieten sich gemeinsame Aktivitäten an. Dabei kann der sprachliche und kulturelle Hintergrund der Familien miteinbezogen werden. Das baut Brücken zwischen dem, was sie einmal waren oder hatten und ihrem jetzigen Leben. Um die Eltern gut einzubeziehen, überlegen Sie zunächst zusammen mit ihnen, welche Aktionen oder Formate sie sich wünschen oder welche Ideen sie dazu haben. Das können zum Beispiel ein Elterncafé oder Koch- bzw. Gartenaktionen sein.

Gespräche im Elterncafé

Organisieren Sie beispielsweise ein regelmäßig stattfindendes Elterncafé. Hier ist das Thema Essen sehr verbindend und funktioniert über die Sprachen hinweg. Auf diesem Weg können Sie Eltern in das Geschehen in der Einrichtung gut einbeziehen und eine Erziehungspartnerschaft beginnen.

Koch- oder Gartenaktionen

Ebenso haben gemeinsame Koch- oder Gartenaktionen etwas Verbindendes. Viele Eltern freuen sich, wenn sie z.B. fürs Buffet eines Festes eine Kleinigkeit beisteuern können und sie so die Möglichkeit haben, etwas von sich zu zeigen oder zu geben. Bereichernd ist auch, unterschiedliche Rezepte mitbringen zu lassen und zusammen zu kochen.

Was noch weiterhilft: gute Link-Tipps

  • Vielen geflüchteten Eltern ist das hiesige Kita-Konzept nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund hat die Stiftung Kinder forschen gezielt Praxisberichte und Informationen zum Thema   Integration und Elternarbeit zusammengestellt. 
  • Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bietet auf seiner Website die  Broschüre „Herzlich willkommen in unserer Kita“ des Paritätisches Gesamtverbands zum kostenfreien Download an. Sie richtet sich an Eltern mit Flucht- und/oder Migrationshintergrund. In sechs Sprachen erfahren sie, wie sich der Start in der Kita gestaltet und ein gewöhnlicher Tagesablauf aussehen kann. 
  • Geflüchtete sind bei ihrer Ankunft mit vielen Fragen konfrontiert – auch beim Thema Gesundheit. Kann ich meine ukrainische Versicherungskarte in Deutschland nutzen? Bekomme ich meine Medikamente aus der Ukraine? Benötige ich eine neue Corona-Impfung? Die BARMER hat auf ihrer  Seite zur Ukraine-HIlfe die häufigsten Fragen zur ärztlichen Behandlung und medizinischen Versorgung beantwortet – auf Ukrainisch, Deutsch und Englisch. 
  • Die Arztsuche gestaltet sich in einem fremden Land mit unbekannter Sprache und Schrift für Geflüchtete schwierig. Die  Arztsuche der BARMER ist auch auf Ukrainisch und Englisch verfügbar, sodass Geflüchtete hier unter anderem nach geeigneten Allgemeinmediziner:innen, Fachärzt:innen, Zahnärzt:innen, Psychotherapeut:innen für Kinder und Erwachsene oder Notfalleinrichtungen in ihrer Nähe suchen können.

Neu im Online-Portal: Elterninfos auf Ukrainisch

Als Genussbotschafter:in kennen Sie unsere Elterninfos zu Ich kann kochen! bestimmt schon: Darin finden Sie – kurz zusammengefasst – viele praktische Tipps zu einem gesundem Essverhalten und wie Kinder Essen lernen. Der übersichtliche Vierseiter ist dafür gedacht, dass Sie ihn an die Eltern weiterreichen: als PDF-Datei oder ausgedruckt. Ganz neu finden Sie die  Elterninfos nun auch auf Ukrainisch Bitte loggen Sie sich im Online-Portal ein, um die Elterninfos in acht Sprachen sehen zu können.
 

Tipps zur Selbstfürsorge: Denken Sie auch an sich! 

Eine anstrengende Zeit liegt hinter uns: Die Pandemie mit ihren ständigen Anpassungen an wechselnde Umstände und Vorgaben. Ein ausgedünntes Kollegium oder Team. Nicht zuletzt der Kraftakt, all die Herausforderungen privat und beruflich zu koordinieren. Kein Wunder, dass die Grenzen der Belastbarkeit an vielen Stellen erreicht sind! Und nun auch noch der Krieg in der Ukraine, der uns belastet. Wo soll jetzt neue Energie herkommen, das alles zu meistern?

Wichtig ist, nicht zu viel auf einmal zu wollen. Gehen Sie lieber Schritt für Schritt voran als in großen Sprüngen. Sonst besteht die Gefahr, sich zu übernehmen. 

Setzen Sie sich nicht unter Druck. Dazu gehört auch, dass Sie sich nicht verantwortlich fühlen für etwas, was sie nicht leisten können. 

Sich den Kindern gegenüber  traumasensibel zu verhalten ist richtig und wichtig. Sie können jedoch den Kindern nicht die Sorgen oder Belastungen abnehmen oder das Vergangene ungeschehen machen. Aber: Sie können in Ihrem beruflichen Kontext, mit dem, was Sie gelernt haben, unterstützend wirken. Das ist sehr viel! 

Machen Sie sich Ihre Grenzen bewusst. Um sich nicht zu übernehmen und auf lange Sicht auszubrennen, ist es gut zu wissen, wo der eigene Kompetenzbereich aufhört. Dann gelingt es vielleicht auch leichter, die nötige professionelle Distanz zu wahren: Ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Sich-Einlassen auf die Erlebnisse der Kinder und dem gesunden Abstand. Mehr zu diesem Aspekt können Sie nachlesen in einer  Broschüre des Bundesverbands für Kindertagespflege (BVKTP), der drei Stufen der Selbstfürsorge mit zielführenden Fragen grafisch zusammengefasst hat.

Mit den eigenen Energiereserven behutsam umzugehen ist für alle ein Gewinn. Ziel sollte sein, dass Sie langfristig handlungsfähig bleiben. Denn davon profitieren am Ende Sie selbst und die Kinder. Wenn Sie stabil sind, gelingt es Ihnen auch besser, eine innere Distanz aufzubauen, damit sich die Stressgefühle der Kinder nicht so schnell auf Sie übertragen können.

Das ist leicht gesagt, aber wie geht das? Zum Beispiel, indem Sie herausfinden, was schon gut funktioniert. Was hat Ihnen bisher geholfen, um in fordernden Zeiten klarzukommen? Was hat Ihnen zwischendurch Kraft gegeben? Ist es der Ausgleich beim Sport, Hobby oder Treffen mit Freund:innen? Es können auch schon ganz kleine Dinge sein wie das bewusste Genießen des Kaffees, dreimal tiefdurchzuatmen mit Blick in eine Baumkrone oder die tägliche Yogaübung am Abend. Hier heißt es, sich darüber bewusst zu werden und es aktiv zu pflegen. Auch der Austausch im Kollegium oder mit Fachpersonen ist hilfreich.

Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt im Team. Das gibt viel Kraft! Immer wenn wir denken, es geht nicht mehr, schaffen wir es doch, gemeinsam Wege zu finden.

Genussbotschafterin aus Bayern

Ein paar gut umsetzbare Impulse und Übungen zur Stressbewältigung und Stabilisierung finden Sie auf der Website  be-here-now.eu zusammengestellt. Hier können Sie sich anleiten lassen zum „Wegpacken, was zu viel ist“, ein „Antistress-Display“ einrichten oder sich einen „Ort zum Wohlfühlen“ erschaffen. Diese Seite richtet sich nach eigener Aussage an alle, die sich darum kümmern, Menschen auf der Flucht ein Ankommen zu erleichtern. Sie möchte Informationen zur Verfügung stellen, die dabei helfen, gut für sich zu sorgen. 
 

Gelassenheit im Alltag: Achtsamkeits- und Meditationsübungen mit 7Mind

Eine sehr wirksame Hilfe, um stressige oder belastende Zeiten besser zu überstehen, sind kurze Meditationsübungen. Diese Phasen der achtsamen Stille stärken die Entspannung auf allen Ebenen. Meditationen werden heute in vielen Bereichen eingesetzt – ohne religiösen Bezug.

Dadurch gelingt es zum Beispiel besser, den Geist zu beruhigen, ein Gedankenkarussel zu stoppen und entspannter mit Sorgen umgehen zu können. Schon wenige Minuten täglich reichen aus. Wichtig ist nur, die Übungen regelmäßig zu machen. So lässt sich auch gezielt der Schlaf verbessern.

Wenn Sie noch keine Erfahrungen mit Meditations- und Achtsamkeitsübungen haben, ist es empfehlenswert, sich anleiten zu lassen. Hierfür haben sich mittlerweile auch Apps etabliert wie die weit verbreitete 7Mind-App, die ihr Programm auf sieben Minuten tägliche Meditation ausrichtet. Neben angeleiteten Meditationen bietet sie auch Gedankenreisen, Naturklänge, Schlafgeschichten und Entspannungsübungen.

Tipp: Einfach mal ausprobieren!

Basisübungen zum Kennenlernen sind bei 7Mind kostenfrei. Richtig Freude macht es mit Zugriff auf die ganze Meditations-Bibliothek. Mitglieder der BARMER erhalten  die App mit vollem Zugriff kostenlos. Ebenso wie die Präventionskurse „Resilienz im Umgang mit Stress“ und „Achtsamkeitsbasiertes Stressmanagement“.

Gute-Nacht-Geschichten auf Ukrainisch

Auch für ukrainische Kinder hat 7Mind etwas Schönes zur Entspannung und Ablenkung parat: Schlafgeschichten zum Anhören in ihrer Heimatsprache. Die Geschichten sind kostenfrei und ganz einfach  per Klick abrufbar auf der Website, auch ohne App. Hinweis: Die Sprache lässt sich auf der Seite oben im grünen Button einstellen (Deutsch oder Ukrainisch).

Nochmal zusammengefasst

Literaturtipps

  • Bundesverband für Kindertagespflege (2017): Ein Ort, an dem es Kindern gut geht: Kindertagespflege. Kinder mit Fluchthintergrund in der Kindertagespflege. Berlin. Online lesen
  • Christina Heim (2022): Wenn die Seele Schutz sucht. Traumatisierte Kinder und Familien. In: kindergarten heute 4/2022. Online lesen
  • Fachverband Traumapädagogik (2011):  Positionspapier: Standards für traumapädagogische Konzepte in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Halle/Westfalen. Online lesen
  • Stiftung Kinder forschen: Serviceportal Integration. Interview mit Prof. Sandra Niebuhr-Siebert: "Sprachlernsituationen gibt es überall im Alltag!" Online lesen
  • institut berlin: be-here-now. Website mit Informationen zu Stressbewältigung und Selbstfürsorge. Online lesen
  • Jutta Kamensky (2022): Ernährungsberatung. Genießen als Therapie. In: UGBforum 1/22. Online lesen
  • Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westphalen: Empfehlungen für Eltern und Lehrkräfte im Umgang mit Kindern und Jugendlichen in Zeiten von Sorge um Bedrohung durch Krieg. Online lesen
  • Paritätischer Gesamtverband (2017): Broschüre Herzlich willkommen in unserer Kita auf der Website des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)  Online lesen
  • Staatsinstitut für Frühpädagogik (ifp)/Monika Wertfein (2018): Essenssituationen sprachanregend gestalten. Online lesen
  • UNHCR Österreich (2020): Flucht und Trauma im Kontext Schule. Handbuch für Pädagog:innen. Wien. Online lesen

Servicetipps